In ihrer Rede im niedersächsischen Landtag am 17. Februar 2016 betonte Doris Schröder-Köpf die Bedeutung der Staatsverträge als symbolisches Zeichen des gegenseitigen Respekts.
Rede zum Tagesordnungspunkt „Verträge mit den muslimischen Verbänden – handwerkliche und politische Fehler der Landesregierung“ (Antrag der Fraktion der FDP, Drs. 17/5157), Nds. Landtag, Hannover, 17.02.2016.
– Es gilt das gesprochene Wort. –
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ende 2015 kamen nach mehr als zwei Jahren die Gespräche der Landesregierung mit den Islamischen Religionsgemeinschaften Ditib und Schura sowie der alevitischen Gemeinde über gemeinsame Verträge zu einem vorläufigen Abschluss. Die Vertragsentwürfe liegen Ihnen vor. Interessierte Bürgerinnen und Bürger erfahren auf der Homepage des Kultusministeriums, was in diesen Verträgen geregelt werden soll und warum.
Sehr geehrte Frau Ministerin Heiligenstadt, vielen Dank für dieses Angebot!
Noch nie ist ein vergleichbares Vertragswerk in einem frühen Stadium der Öffentlichkeit so transparent und leicht zugänglich präsentiert worden.
Sehr geehrte Damen und Herren,
auch wenn ich heute hier zu Ihnen als Abgeordnete einer Regierungsfraktion spreche, möchte ich doch erwähnen, dass ich in meinem Ehrenamt als Landesbeauftragte für Migration und Teilhabe an etlichen Verhandlungsrunden teilnehmen durfte. Mein Dank gilt deshalb auch besonders der akribischen Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des zuständigen Kultusministeriums sowie der Fachleute aus den anderen Ministerien, die vom Bestattungsrecht bis zum Tierschutz ihre Expertise eingebracht haben.
Aber ich möchte in meinen Dank ausdrücklich auch die beiden Vorgängerregierungen unter Führung der Ministerpräsidenten Wulff und McAllister einbeziehen. Denn es war der damalige Ministerpräsident Wulff, der vor fast einem Jahrzehnt den Plan fasste, die „gegenseitigen Ansprüche“, wie er es nannte, zu regeln.
Ich zitiere aus der Tageszeitung „Die Welt“ vom 26. Juni 2007:
„Ich kann nur hoffen, dass wir in einigen Jahren einen solchen Staatsvertrag bekommen, um Ansprüche beiderseits zu regeln“, sagte er damals bei einer Veranstaltung der Adenauer-Stiftung. Bei einer früheren Gelegenheit, im Mai 2005, begründete er seine Absicht: Durch das Setzen solcher positiven Beispiele könne der Fundamentalismus zurückgedrängt werden.
Im August 2009 wurden dann entsprechend erste Gespräche aufgenommen. Nach der Etablierung des islamischen Religionsunterrichts an Schulen kam es zu einem weiteren Meilenstein in der Zusammenarbeit mit Ditib und Schura in Niedersachsen: Am 10. Dezember 2012 wurde eine Vereinbarung zur Islamischen Seelsorge im Justizvollzug unterzeichnet. In der Presseerklärung des damaligen Justizministers Busemann wird betont, dass diese Vereinbarung – ich zitiere – „unabhängiger Teil der in Aussicht genommenen Vereinbarungen des Landes mit den am Vertragsabschluss“ Beteiligten sei.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident Busemann,
Sie sehen: Die Landesregierung fühlt sich diesem Erbe verpflichtet! Wir knüpfen an die wichtige Vorarbeit der Vorgängerregierungen an! Wir können uns gemeinsam freuen: Niedersachsen wird voraussichtlich das erste Flächenland sein, das einen entsprechenden Vertrag vorlegen kann.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte noch kurz auf drei Punkte eingehen, die miteinander in Verbindung stehen:
In der Präambel und in Artikel 1 ist die Verpflichtung auf unsere Wertegrundlagen, die Grundrechte – insbesondere die Gleichberechtigung von Frau und Mann – und die demokratische Grundordnung verankert. Das ist eine Selbstverständlichkeit und dennoch ein klares, wichtiges Signal. Auch für unsere Gesprächspartner ist es wichtig, weil sie sich so an herausragender Stelle von fundamentalistischen Gruppierungen abgrenzen können.
Bei dieser Gelegenheit sollte vielleicht einmal erwähnt werden, dass die Verhandlungen auch auf Seiten der islamischen Religionsgemeinschaften in weiten Teilen von Juristinnen geführt wurden!
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie ich bereits ausgeführt habe, ist Niedersachsen in der glücklichen Situation, mit den großen islamischen Religionsgemeinschaften in unserem Land über langjährig verlässliche Kooperationspartner zu verfügen. Die Verbände stehen auf dem Boden des Grundgesetzes und der niedersächsischen Verfassung. Es ist in unser aller Interesse, wenn sich diese bewährten Verhandlungspartner in die gesellschaftliche Arbeit und auch in entsprechende Gremien einbringen, um sich dort für einen aufgeklärten Islam stark zu machen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
auch deshalb hat das Land ein Interesse daran, dass die Vertragspartner in die Lage versetzt werden, dauerhafte Strukturen aufzubauen und eine Geschäftsstelle einzurichten. Sie sind unverzichtbare Partner der Landesregierung bei der Prävention und Bekämpfung von religiösem Fundamentalismus. Sie haben sich zuletzt aktiv eingebracht bei der Gründung und dem Aufbau einer niedersächsischen Beratungsstelle gegen Salafismus.
Und wir setzen darauf, dass die in enger Zusammenarbeit mit den Verbänden entwickelten Angebote des islamischen Religionsunterrichts und der islamischen theologischen Fakultäten in Niedersachsen dazu beitragen werden, den friedlichen Islam, der für die Werte unserer Verfassung eintritt und für den unsere Gesprächspartner stehen, an die nächste Generation weiterzugeben.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
ich persönlich hoffe sehr, dass es uns gelingt, eine breite Zustimmung für die Verträge zu finden, die Rechte und Pflichten beinhalten, aber vor allem anderen ein Zeichen sind – ein Zeichen des Respekts voreinander.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit